„Ein schwarzer Tag für die suizidwilligen Betroffenen“

DGHS-Präsident RA Prof. Robert Roßbruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

 

Mit großer Enttäuschung haben die beiden Kläger und ihr Prozessbevollmächtigter, RA Robert Roßbruch, das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (07.11.2023) aufgenommen. „Es ist ein schwarzer Tag für die Betroffenen und viele weitere suizidwilligen Menschen in Deutschland“, so Roßbruch. Die Richterinnen und Richter des 3. Senats hatten die Revisionen in den beiden Klageverfahren auf Erlaubnis zum Erwerb von 15 Gramm Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zurückgewiesen. Damit folgt das Gericht der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts Münster. Die entscheidende Urteilsbegründung geht dahin, dass für suizidwillige Menschen die realistische Möglichkeit bestehe, die Hilfe eines suizidbegleitenden Arztes oder einer Sterbehilfeorganisation in Anspruch nehmen zu können.
Damit wurde gerade der Wunsch der beiden Kläger, keine Hilfe Dritter in Anspruch nehmen zu wollen, sondern freiverantwortlich im Kreise ihrer Familien ein suizidgeeignetes Medikament zu sich zu nehmen, unmöglich gemacht. Roßbruch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben ist, kündigte Verfassungsbeschwerde an. Roßbruch: „Ich befürchte nur, dass die beiden Kläger eine weitere gerichtliche Entscheidung nicht mehr erleben werden.“
Zu den politischen Konsequenzen meint der DGHS-Präsident: „Das heutige Urteil beinhaltet meines Erachtens ein deutliches Signal an den Bundesgesetzgeber, nun endlich eine verfassungskonforme Neuregelung des Betäubungsmittelgesetzes zu verabschieden.“
Die Kläger – ein Mann aus Rheinland-Pfalz und ein Mann aus Niedersachsen – hatten seit 2017 (wie mehr als 200 weitere Personen) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) um eine Ausnahmegenehmigung zum Erwerb für Natrium-Pentobarbital gebeten. Auf Weisung des damaligen Bundesgesundheitsministers waren sämtliche Anträge abgelehnt worden. Es habe zudem ein Versagungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) vorgelegen, urteilte später das zuständige Verwaltungsgericht. Anfangs noch sieben Personen hatten den Klageweg beschritten.
Bereits in der mündlichen Verhandlung am 26.10.2023 war mit Harald Mayer, einem der beiden noch lebenden Kläger, erörtert worden, ob das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben berührt ist, wenn der Zugang zu dem am wirksamsten eingeschätzten Mittel vom Staat verweigert wird. In der geübten Praxis greifen helfende Ärzte in Deutschland zurzeit auf andere ähnlich wirksame Medikamente zurück, die jedoch nur intravenös eingesetzt werden können. Natrium-Pentobarbital hat sich in der Schweiz bewährt, gilt als sanft und zuverlässig. Zudem kann es intravenös oder oral eingenommen werden.
Das Oberverwaltungsgericht hatte am 02.02.2022 das Begehren der Kläger abgelehnt und begründet, dass ein zumutbarer Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe bereits bestehe. Infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (zur Verfassungswidrigkeit des in § 217 StGB geregelten Verbots der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung) habe sich die Möglichkeit, den Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben zu verwirklichen, wesentlich verbessert. Das ärztliche Berufsrecht steht der Suizidhilfe nicht mehr generell entgegen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung war eine Revision möglich gewesen, die Roßbruch wahrnahm.
 

Aktenzeichen

BVerwG 3 C 8.22:

  • Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 9 A 148/21; VG Köln, VG 7 K 8560/18
  • Parteien: B.   ./.   Bundesrepublik Deutschland

BVerwG 3 C 9.22:

  • Vorinstanzen: OVG Münster, OVG 9 A 146/21; VG Köln, VG 7 K 13803/17
  • Parteien: M.   ./.   Bundesrepublik Deutschland

Das Betäubungsmittelgesetz in seiner aktuell gültigen Fassung besagt:

„§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG:

Die Erlaubnis nach § 3 ist zu versagen, wenn […]

6. die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck dieses Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln oder die missbräuchliche Herstellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen, vereinbar ist […].“

Zum Urteil.

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