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Drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe

Die für das Thema Sterbebegleitung relevantesten Gesetzentwürfe finden Sie im Folgenden:

Gesetzentwurf im Original (PDF)

Um den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nachzukommen, unterbreitet die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e. V. (DGHS) einen Vorschlag für eine verfassungskonforme Gesetzgebung zur Suizidhilfe. Der Vorschlag umfasst die Aufnahme eines neuen Paragrafen in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und die Aufnahme eines neuen Paragrafen sowie diverse Ergänzungen bzw. Modifizierungen bestehender Vorschriften im Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Zentrale Bedingung einer ethisch vertretbaren Praxis der Suizidhilfe ist die Einhaltung von Sorgfaltskriterien durch die beteiligten Ärzte und Sterbehelfer. Erforderlich ist zudem eine Anpassung der Berufsordnungen der Landesärztekammern und Änderungen im Betäubungsmittelrecht. Elementare Bedingung ist für die DGHS die Freiverantwortlichkeit des Suizidwilligen. Diese liegt vor, wenn der Suizidwillige die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit für seinen Selbsttötungsentschluss besitzt, seine Entscheidung frei von Willensmängeln ist, sein Entschluss wohlerwogen und von einer inneren Festigkeit getragen ist. Dabei ist die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, wie im gesamten Rechtsverkehr, zu unterstellen. Nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte hinsichtlich einer möglichen Einschränkung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit sollte eine fachpsychiatrische Begutachtung mit eingehender Prüfung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorgenommen werden.
Im Rahmen eines zu schaffenden prozeduralen Sicherungskonzepts befürwortet die DGHS eine ausgewogene und umfassende Aufklärung über medizinische Alternativen zum beabsichtigten Suizid, lehnt aber eine wie auch immer geartete Beratungspflicht ab, die auf eine Pflicht des Sterbewilligen hinausläuft, seinen Sterbewunsch zu rechtfertigen. Die freiverantwortliche Entscheidung über das eigene Lebensende bedarf nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts „keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung“.

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe

Gesetzentwurf im Original (PDF)

Sterbewillige sollen sich nach dem Gesetzentwurf von einem Arzt ein „Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung“ nach Aufklärung über Ablauf und mögliche Nebenwirkungen – und gegebenenfalls palliativmedizinische Alternativen – verschreiben lassen können. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine Beratung durch eine entsprechende Beratungsstelle, deren Ausgestaltung ebenfalls in dem Entwurf geregelt wird. Die Verschreibung soll grundsätzlich frühestens zehn Tage nach der Beratung und spätestens acht Wochen danach erfolgen.

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben

Gesetzentwurf im Original (PDF)

Im Falle einer medizinischen Notlage soll ein Arzt beziehungsweise eine Ärztin ein entsprechendes Betäubungsmittel verschreiben können. Voraussetzung dafür ist untere anderem die schriftliche Fixierung des Sterbewunsches. Zudem wird eine schriftliche Bestätigung durch einen zweiten Arzt beziehungsweise zweite Ärztin benötigt, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt worden sind. Grundsätzlich sollen zwischen Erstund Zweitbestätigung mindestens zwei Wochen liegen.

„Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ grundsätzlich wieder strafbar

Gesetzentwurf im Original (PDF)

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ grundsätzlich wieder strafbar sein soll. Nicht rechtswidrig soll jedoch die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn die suizidwillige Person „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zweimal von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat. Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung soll verboten sein, sachliche Informationen von Ärzten hingegen erlaubt. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Anwendung eines tödlich wirkenden Mittels als betäubungsmittelrechtlich begründet anzuerkennen.

Eine Einordnung der drei fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfe

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (26.2.2020), der das Recht auf Suizidhilfe unterstrich, kann der Deutsche Bundestag eine neue gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe schaffen, er müsste aber nicht. Drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe gibt es, ergänzend ein Gesetzentwurf zur Stärkung der Suizidprävention. Am 24. Juni 2022 beriet der Deutsche Bundestag in Erster Lesung.

Um fünf vor zwölf Uhr ging es im Hohen Haus los. Auf der Tagesordnung für den Freitag, 24.6.2022, stand für eine gute Stunde das Thema „Suizidhilfe“. In fast letzter Minute lag alle drei Gesetzentwürfe in einer aktualisierten überarbeiteten Version den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und online (bundestag.de) der Öffentlichkeit vor. Ergänzt durch einen weiteren, also dann vierten, Gesetzentwurf der eher konservativen Gruppe um Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) und Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD), mit dem die Suizidprävention weiter verbessert werden soll. Z. B. soll ein deutschlandweiter Suizidpräventionsdienst aufgebaut werden. Als erste sprach Heike Baehrens (SPD) für den eher konservativ geprägten Gesetzentwurf, der federführend von Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) und Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) entwickelt worden war und von zahlreichen Abgeordneten fast aller Fraktionen unterstützt wird. Man fördere Angebote zur Suizidprävention und wolle „hohe Hürden“ für Suizidassistenz schaffen. Der Gesetzentwurf sieht ein neues Strafgesetz § 217 und ein Werbeverbot (§ 217 a) vor. Katrin Helling-Plahr (FDP), Initiatorin eines recht liberalen Entwurfs, berichtet von persönlichen Begegnungen. Viele Menschen hätten nicht Angst vor dem Tod, sondern vor den damit verbundenen Umständen. Man müsste Recht auf selbstbestimmtes Sterben ernst nehmen. Es sei nicht akzeptabel, den Zugang zu den entsprechenden Medikamenten zu verunmöglichen. Man soll die Menschen am Lebensende nicht allein lassen, Respekt sollte aber auch denen gelten, die Sterbewillige begleiten und ihnen dabei helfen. Ein neues Strafgesetz (Castellucci-Entwurf) sei für sie nicht akzeptabel. Man sollte nicht in Zeit von § 217 zurückfallen. Ihr Entwurf wird zurzeit von 70 Abgeordneten fraktionsübergreifend unterstützt. Für den dritten vorliegenden Gesetzentwurf, den von Renate Künast und Katja Keul, sprach Lukas Benner (Bündnis 90/Die Grünen). Er betonte, dass es um ein Grundrecht gehe. Zurzeit würden Freitodbegleitungen in einer Grauzone stattfinden, man sehe eine Rechtslücke. Der Vorschlag sieht einen geregelten Zugang zu Natrium-Pentobarbital über eine Behörde. Auch er arbeitet die Unterschiede zu dem Castellucci-Entwurf heraus. Autonomie müsse ermöglicht werden, da sei das Strafrecht der absolut falsche Ort. Der Entwurf wird u.a. vom Abgeordneten Prof. Dr. Edgar Franke (SPD) unterstützt. Die meisten Unterstützer hat zum Zeitpunkt der Ersten Lesung der Entwurf von Kappert-Gonther und Castellucci, der Entwurf Künast/Keul die wenigsten. Viele Organisationen hatten sich zu Wort gemeldet Im Vorfeld der Ersten Lesung hatten sich zahlreiche Organisationen zu Wort gemeldet. So hatte DGHS-Präsident Roßbruch wiederholt betont, dass er sich eher eine Aufklärungspflicht durch die Freitodbegleiterinnen und -begleiter vorstellen könne als eine Pflicht zur Beratung. Der Zentralrat der Konfessionsfreien hatte die Bundestagsabgeordneten in einem Brief aufgerufen, „kein neues Gesetz zur Suizidhilfe zu erlassen, das die Selbstbestimmung am Lebensende einschränkt.“. Dem Schreiben war ein Katalog mit zehn Fragen und Antworten beigelegt. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) forderte, dass die Entscheidung über eine Suizidassistenz eine gerichtliche sein soll. Eine fachärztliche Beratung und Aufklärung über eventuelle Alternativen sei ebenso unumgänglich wie eine fachärztliche Begutachtung der Selbstbestimmtheit der Entscheidung. Ablehnende Äußerungen gegenüber der Suizidhilfe kamen von den Kirchen und kirchlich geprägten Einrichtungen.