Eine Einordnung der drei fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfe
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (26.2.2020), der das Recht auf Suizidhilfe unterstrich, kann der Deutsche Bundestag eine neue gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe schaffen, er müsste aber nicht. Drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe gibt es, ergänzend ein Gesetzentwurf zur Stärkung der Suizidprävention. Am 24. Juni 2022 beriet der Deutsche Bundestag in Erster Lesung.
Um fünf vor zwölf Uhr ging es im Hohen Haus los. Auf der Tagesordnung für den Freitag, 24.6.2022, stand für eine gute Stunde das Thema „Suizidhilfe“. In fast letzter Minute lag alle drei Gesetzentwürfe in einer aktualisierten überarbeiteten Version den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und online (bundestag.de) der Öffentlichkeit vor. Ergänzt durch einen weiteren, also dann vierten, Gesetzentwurf der eher konservativen Gruppe um Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) und Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD), mit dem die Suizidprävention weiter verbessert werden soll. Z. B. soll ein deutschlandweiter Suizidpräventionsdienst aufgebaut werden. Als erste sprach Heike Baehrens (SPD) für den eher konservativ geprägten Gesetzentwurf, der federführend von Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) und Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) entwickelt worden war und von zahlreichen Abgeordneten fast aller Fraktionen unterstützt wird. Man fördere Angebote zur Suizidprävention und wolle „hohe Hürden“ für Suizidassistenz schaffen. Der Gesetzentwurf sieht ein neues Strafgesetz § 217 und ein Werbeverbot (§ 217 a) vor. Katrin Helling-Plahr (FDP), Initiatorin eines recht liberalen Entwurfs, berichtet von persönlichen Begegnungen. Viele Menschen hätten nicht Angst vor dem Tod, sondern vor den damit verbundenen Umständen. Man müsste Recht auf selbstbestimmtes Sterben ernst nehmen. Es sei nicht akzeptabel, den Zugang zu den entsprechenden Medikamenten zu verunmöglichen. Man soll die Menschen am Lebensende nicht allein lassen, Respekt sollte aber auch denen gelten, die Sterbewillige begleiten und ihnen dabei helfen. Ein neues Strafgesetz (Castellucci-Entwurf) sei für sie nicht akzeptabel. Man sollte nicht in Zeit von § 217 zurückfallen. Ihr Entwurf wird zurzeit von 70 Abgeordneten fraktionsübergreifend unterstützt. Für den dritten vorliegenden Gesetzentwurf, den von Renate Künast und Katja Keul, sprach Lukas Benner (Bündnis 90/Die Grünen). Er betonte, dass es um ein Grundrecht gehe. Zurzeit würden Freitodbegleitungen in einer Grauzone stattfinden, man sehe eine Rechtslücke. Der Vorschlag sieht einen geregelten Zugang zu Natrium-Pentobarbital über eine Behörde. Auch er arbeitet die Unterschiede zu dem Castellucci-Entwurf heraus. Autonomie müsse ermöglicht werden, da sei das Strafrecht der absolut falsche Ort. Der Entwurf wird u.a. vom Abgeordneten Prof. Dr. Edgar Franke (SPD) unterstützt. Die meisten Unterstützer hat zum Zeitpunkt der Ersten Lesung der Entwurf von Kappert-Gonther und Castellucci, der Entwurf Künast/Keul die wenigsten. Viele Organisationen hatten sich zu Wort gemeldet Im Vorfeld der Ersten Lesung hatten sich zahlreiche Organisationen zu Wort gemeldet. So hatte DGHS-Präsident Roßbruch wiederholt betont, dass er sich eher eine Aufklärungspflicht durch die Freitodbegleiterinnen und -begleiter vorstellen könne als eine Pflicht zur Beratung. Der Zentralrat der Konfessionsfreien hatte die Bundestagsabgeordneten in einem Brief aufgerufen, „kein neues Gesetz zur Suizidhilfe zu erlassen, das die Selbstbestimmung am Lebensende einschränkt.“. Dem Schreiben war ein Katalog mit zehn Fragen und Antworten beigelegt. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) forderte, dass die Entscheidung über eine Suizidassistenz eine gerichtliche sein soll. Eine fachärztliche Beratung und Aufklärung über eventuelle Alternativen sei ebenso unumgänglich wie eine fachärztliche Begutachtung der Selbstbestimmtheit der Entscheidung. Ablehnende Äußerungen gegenüber der Suizidhilfe kamen von den Kirchen und kirchlich geprägten Einrichtungen.